Freitag, 4. September 2015 | Kroatien – Duga Resa | Petra
ABSCHIEDSSCHMERZ
WAS TUN WENN ALLE ANDEREN GEHEN
Camping ist ja nun nicht gerade jedermanns Sache. Seine Kritiker beklagen neben den nachlässig erscheinenden Kleidungsgewohnheiten die Widersprüchlichkeit des Campinggedankens. Die Idee des Campings sieht vor, in den eigenen vier Wänden wohnen, aber öffentlich kochen, Geschirr spülen und duschen zu wollen.
Die Freunde des legeren Campings dagegen loben die ungezwungene Kleiderordnung, die Entspanntheit, die Nähe zur Natur und die Entscheidungsfreiheit, jederzeit den Standort wechseln zu können, wie es einem beliebt. Und genau da wären wir auch schon beim Kernthema: Bleiben, wenn die anderen gehen. Damit habe ich offenbar ein Problem. Ja, mir ist klar, dass das eine rein persönliche Sache ist. Ein eigenes Dilemma, mit dem vermutlich nur ich konfrontiert bin. Dennoch, es bleibt (m)ein Dilemma.
Zum besseren Verständnis, stelle Dir bitte mal die folgende wahre Begebenheit vor:
Win und ich fahren nach Kärnten an den Faaker See. Warum, willst Du wissen? Nun ja, Kärten klingt irgendwie verwegen und der See wurde uns von Isma wärmstens empfohlen. Es ist ein kleiner, gemütlicher See, mit dem Auto in ca. 20 Minuten bequem zu umrunden. Es ist ein Privatsee, der öffentlich zugänglich ist, in dem geangelt werden darf, sofern man des Angelns mächtig ist, einen Angelschein besitzt und den Fischereischein, z. B. im Büro des Campingplatzes, erworben hat.
Jedes Jahr findet dort Anfang September die legendäre European Bike Week statt. Rund 60.000 Harleys aus aller Welt (überwiegend individuell angefertigte Custombikes) nehmen dann mit ihren Besitzern und Begleitern/Begleiterinnen sowie unzähligen Harley-Fans, Schaulustigen und Ausstellern Faak und Umgebung in Beschlag. Sie stellen alles auf den Kopf und die Straße rund um den See wird kurzerhand und hochoffiziell zur Einbahnstraße erklärt. Es ist eine rauschende Party, bei der alle mitmachen. Sämtliche Unterkünfte und Campingplätze sind belegt, Bewohner und Besucher befinden sich im Ausnahmezustand und alles ist easy. Mit dem Harley-Treffen in Hamburg ist dieses Event übrigens nicht zu vergleichen. „Hamburg ist doch nur ein Kinderkarussell!“ tönt der coole Typ an der Tanke, mit dem Win angeregt plaudert (Harley-Bandana auf dem Kopf und Muskeln an den Oberarmen – der coole Typ, nicht Win!).
In ein paar Tagen geht hier also richtig die Post ab. „Biker sind hier willkommen!“ rufen schon heute große Banner in den Harley-Farben Schwarz und Orange von den Fassaden verschiedener Privathäuser und Restaurants. An der Autobahn sind bereits Park-Hinweisschilder montiert und in Faak ackern unzählige Veranstaltungstechniker, um die gigantischen Musikbühnen flott zu kriegen. Ab 8. September gibt es für eine Woche nur noch Harley Davidson, Menschenmengen, coole Musik und Was-weiß-ich-noch-alles, während wir schon wieder über alle Berge sind.
Zurück zum eigentlichen Thema. Also, stell Dir bitte vor:
Win und ich sind froh darüber, am Spätnachmittag direkt in Faak am See auf dem Campingplatz Gruber ganz einfach einen hübschen Stellplatz unter hohen Kieferbäumen für unseren etwas ausladenden Truck zu bekommen. Unsere Nachbarn ein paar Stellplätze entfernt links und recht von uns, scheinen nett zu sein, man grüßt sich erfreut und wir fühlen uns auf anhieb wohl. Sogar, als unsere unmittelbare Nachbarin bei ihrer Rückkehr von einem Tagesausflug mit Mann und Töchterchen unser fröhliches „Hallo!“ knapp quittiert mit der Bemerkung: „Da haben Sie uns jetzt die Morgensonne weggenommen. Na ja, wir reisen morgen sowieso ab!“ Päng!
Hatte ich schon erwähnt, dass es für Win und mich immer ein angenehmes Gefühl ist, wieder an einem schönen Ort angekommen zu sein? Und dass wir entschieden haben, es hier schön zu finden?
Nur ungefähr zweiundreißig oder dreiunddreißig Schritte sind es von unserer „Haustür“ bis zum Seeufer, an dem sich viele Badegäste, jung, etwas reifer, sehr reif, in der Sonne aalen, das angenehme Wasser des Sees auskosten und gute Sommerlaune versprühen. Wir genießen die entspannte Stimmung, nehmen ein erfrischendes Bad im türkisblauen (ganz ehrlich!) See und lassen uns von der Sonne wieder trocknen.
Morgen soll das Wetter angeblich schlechter werden, mehr Regen, weniger Wärme. Das veranlasst einige Camper dazu, noch am selben Abend zusammen zu packen, um am nächsten Tag abreisen zu können. Die einen nach Hause, weil der Urlaub endet (und dort niemand einem die Morgensonne klaut), die anderen weiter Richtung Sonne, weil’s da schöner ist.
Win und ich lassen uns von den Aktivitäten nicht aus der Ruhe bringen. Nach einem selbst gebastelten Abendessen lesen wir noch lange in die Dunkelheit hinein, quatschen ein bisschen bei Kerzenschein und überlassen uns schließlich irgendwann unserem Schlaf.
Der nächste Morgen weckt uns mit den angekündigten Regenwolken und noch ehe wir es uns versehen, also praktisch direkt nach der ersten Tasse Kaffee und kurz vor dem eigentlichen Frühstück, scheint der Campingplatz irgendwie deutlich leerer als gestern. Da, schon wieder fährt ein Auto mit Gespann vom Platz, während an anderer Stelle die letzten Habseligkeiten ins Fahrzeug gestopft werden und die Abfahrt deutlich zu erahnen ist.
Soooo – JETZT komme ich zum eigentlichen Punkt meiner knappen Ausschweifungen (ganz ehrlich!) und zum Hintergrund der oben genannten Headline (= Überschrift).
Irgendwie fühle ich mich immer ein kleines bisschen zurück gelassen, wenn die anderen Camper den Platz verlassen und in unbekannte Richtungen verschwinden. Als sie noch da waren, gab es immer etwas zu lauschen, zu gucken oder zu quatschen. Man schenkte sich ein Lächeln oder ganze Geschichten. Jetzt erzählen nur die kahlen Stellen, auf denen vormals die Zelte oder Wohnmobile standen, von ihren Besuchern. Ein letztes Winken zum Abschied, das war’s. Schnief!
Um nicht gänzlich der Melancholie des Abschieds zu verfallen, gebe ich mich dem Genuss hin, die Duschräume und den Spülplatz alleine nutzen zu können, die freie Wahl zu haben, welches Waschbecken ich haben möchte und das Beste: Im lieblichen Faaker See zu schwimmen, bei Regen, nur mein Liebster und ich. What a feeling!
PS (nur ganz kurz, ganz ehrlich!):
Mittlerweile sind wir in Kroatien (Ja, wir haben ZWEI Grenzübertritte bewältigt!) angekommen auf dem Kamp Slapić in Duga Resa, einem sehr schönen, mehrfach ausgezeichneten Campground. Wir befinden uns rund 65 km südwestlich von Zagreb. Was soll ich sagen? Wir erleben hier das gleiche Szenario. Abends finden wir einen wunderschönen Platz auf der weitläufigen Wiese des Campingplatzes. Wir kommen gleich nett ins Gespräch mit unseren fröhlichen Hamburger Nachbarn und lachen herzhaft miteinander. Und morgens werden wir dann von Gott und der Welt, oder wenigstens von den anderen Campern, verlassen.
Was bleibt? Freundliche Wünsche zum Abschied, angenehme Friedlichkeit, Hühnergackern in der Ferne, Zeit für den 5-Minuten-Hausputz, ein gemütlicher Hund, der sich zu uns legt, wärmende Sonne, freie Sicht auf die Mrežnica, einem der saubersten Flüsse Kroatiens. Lauter schöne Sachen, halt.
In diesem Sinne wünschen wir Euch ein tolles Wochenende, mit lauter schönen Sachen.
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habe wieder eine spur von euch aufgenommen und freue mich, dass ihr euren spass habt. lasst es euch weiterhin gut gehen, und bis zum nächsten mal tausend bussis mama
Meine Mamaaa!
Bin ich froh, dass Du uns im Blick hast, dann können wir wenigstens keine Dummheiten machen. Bei uns läuft es prima. Gestern war Backtag und wir haben unseren ersten Apple-Crumble im Backofen unseres Trucks gebacken. Lecker!
Tausend Bussis zurück (501 Bussi von mir und 499 von Win),
Petra & Win
Servus ihr Beiden,
ich bin der Nachbar von Michael und Manuela in Taufkirchen mit dem kleinen Enkeltöchterchen Isabella, Ihr erinnert Euch sicherlich noch!
Ich bin schon ganz neugierig über euere Erlebnisse und Berichte von der großen Reise und werde Euch garantiert hier verfolgen.
Die ersten Erlebnisse vom Fackersee und aus Kroatien habe ich in eueren ersten Berichten schon gelesen.
Nun, Ich wünsche Euch eine spannende und erlebnisreiche Weltreise mit dem Dreamcar das ich sehr bewundert habe.
Euer
Toni Auer
Servus Toni,
selbstverständlich erinnern wir uns an unseren Freund. Wir haben uns so sehr gefreut, Am Nemerberg so herzlich aufgenommen worden zu sein, dass es dazu sogar einen eigenen Blog-Beitrag gibt. Kannst ja mal nachlesen 🙂
Schön, dass Du uns auf unserer Tour begleitest und wir Dich praktisch im Fahrerhaus dabei haben dürfen. Für Deine guten Wünsche sagen wir herzlichen Dank und senden liebe Grüße,
Deine Trucker Win & Petra