Freitag, 3. Februar 2017 | Marokko – Agadir-Ida ou Tanane, Agadir | Petra
FREUDE IN MAROKKO
DEN KULTURSCHOCK HABEN WIR ÜBERWUNDEN
Mit jedem weiteren Tag, den wir in Marokko verbringen, schließen wir das Land mehr ins Herz. Die Menschen sind sehr freundlich und aufgeschlossen. Uns gefällt so viel von dem, was wir sehen und wir freuen uns darüber, dieses Land Stück für Stück erkunden zu können.

Es wird Abend in der Medina von Essaouira
SCHLAFENDE SCHÖNE
In Essaouira finden wir es richtig gemütlich. Die Hafenstadt, die den poetischen Beinamen „schlafende Schöne“ genießt, soll viel von ihrer Ursprünglichkeit in den letzten Jahren eingebüßt haben. Der Tourismus! Das erzählen uns Besucher, die die Stadt in den vergangenen Jahren immer wieder besucht und die rasche Veränderung mitbekommen haben. Und trotzdem ist noch immer bezaubernd, was wir sehen und spüren. Eine ganz eigene Atmosphäre erfüllt diese Stadt. Sie fühlt sich unkompliziert und sehr entspannt an. Ob es am friedliebenden Geist der Künstler und Hippies aus den späten Sechzigern liegt oder an Jimi Hendrix, der damals auch einige Tage hier verbrachte?

Etwas Besonderes ist die Stadt in jedem Fall. Mit ihrem breiten Sandstrand, den vielen Cafés, dem alten Hafen und der schönen Medina (Altstadt). Diese wurde 2001 sogar zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt. Wir lassen uns mal am frühen Abend und mal am sonnigen Tag durch die schönen Gassen voller Farben und Gerüche treiben. Unzählige Geschäfte und noch mehr bunte Waren drängen sich um die Kundschaft. Arganöl ist wohl ein Muss und sollte unbedingt erworben werden. Es verspricht schließlich Gesundheit und Schönheit. Win folgt brav der Empfehlung und kauft sich ein Fläschchen zur Probe. Und ja, ich meine ihn jeden Tag schöner werden zu sehen.
Während Win im dufterfüllten Hamam eine Behandlung genießt, spaziere ich alleine durch die malerische Altstadt. Tapfer widerstehe ich den Verlockungen marokkanischen Kunsthandwerks und schaue mich nur aufmerksam um. Aber nicht zu aufmerksam, denn sonst bin ich sofort in ein „völlig unverbindliches“ Verkaufsgespräch verwickelt.
Am Hafen setze ich mich in die Sonne und beobachte das lebhafte Treiben. Die Lieblingsfarbe kleiner Mädchen ist hier auch Pink. Ein Vater sorgt liebevoll aber bestimmt für Ordnung, als sich vier Kinder darum streiten, wer als nächstes mit dem kleinen Fahrrad fahren darf. Alles also genau wie bei uns.
Meine Beobachtungen werden unterbrochen von Mustafa. Respektvoll nimmt er neben mir auf der Parkbank Platz und beginnt mit mir über dieses und jenes zu plaudern. Ich schätze ihn auf 25 Jahre und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er recht zügig zur Sache kommt. Er betont meine Schönheit und fragt, ob er meine Augen sehen dürfe, die ich hinter meiner Sonnenbrille versteckt halte. Pardon nein, weise ich ihn sanft in die Schranken, das sei ausschließlich meinem Ehemann gestattet. Das hilft und Mustafa meint, er hoffe, dass ich glücklich mit meinem Mann bin. Um nicht doch Gefahr zu laufen, mich spontan in einen anderen zu verlieben, verabschiede ich mich bald freundlich von meinem jugendlichen Verehrer und schwebe davon. Ich bin schließlich verabredet mit meinem Mann, der soeben mit seinem wichtigen Termin (im Hamam) fertig ist.
Sich als Marokkaner eine (seiner Vorstellung nach) „reiche“ Europäerin zu angeln, hat sich als mögliches Lebensmodell im Land durchaus etabliert. Wie heißt es so schön in einem Online-Artikel von Nadine Ahr in der ZEIT: „Frauen, die sich von ihren marokkanischen Männern ausnehmen lassen – auch das sind Geschichten, von denen es in Essaouira so viele gibt wie Möwen am Hafen.“ Nur Mustafa, das konnte ich spüren, der hat es wirklich ernst mit mir gemeint – echt jetzt. 😉
Ein bisschen schwer fällt es uns schon, Essaouira wieder zu verlassen. Nicht nur wegen Mustafa. Wir wollen an der Küste weiter fahren in Richtung Agadir.
Marakech verschieben wir, weil uns jetzt der Sinn eher nach friedlicher Natur als vibrierendem Stadtleben steht.

FRÖHLICHE LANDPARTIE
Unsere ausgesuchte Route führt uns dann auch recht schnell runter vom Asphalt auf Schotterwege und steinige Pisten. Erst fahren wir die Berge nach oben und dann auf schmalen kurvigen Wegen wieder nach unten bis wir durch den versteckten Fischerort Tafedna kommen.
Tafedna liegt an einem breiten naturbelassenen Sandstrand. Die einzige Straße ist voller Menschen, ausschließlich Männer, alle mehr oder weniger schwer beschäftigt. Auf den ersten Blick sieht es für uns so aus, als würde die sandige Ortsdurchfahrt hier bei den Fischerbooten enden. Aber die Männer an den blauen Booten winken uns aufmunternd zu, wir könnten hier gut weiterfahren. Also stimmt unsere Karte, und die staubige Schotterpiste führt wie angegeben durch diesen Ort und durch einen kleinen Fluss weiter an der Küste entlang.
Wir sind beide so verblüfft von der Besonderheit dieses Ortes und der Frage „Kommen wir hier durch?“, dass ich völlig vergesse, ein paar Fotos zu machen. Erst als wir den Ort hinter uns lassen und bergauf einen weiten Blick über den Atlantik und unzählige Arganbäume haben, kommt die Kamera wieder zum Einsatz.
Es ist einsam hier oben. Weit und breit nichts. Dennoch taucht immer wieder mal irgendwo ein Mensch, eine Schafherde oder ein Dromedar auf. Dann auch wieder mal eine Ansammlung von ein paar Häusern und jede Menge winkender und rufender Kinder. „Bonbon! Bonbon!“ – sie möchten Süßigkeiten haben oder irgendwas anderes, das Touristen selbstverständlich immer haben.
Etwa 70 Kilometer sind wir so unterwegs und bleiben für heute schließlich in der Surfer-Oase Imsouane hängen. Es gibt würzige Gemüse-Tajine und Minzetee in der warmen Sonne mit Blick auf den Ozean und auf die sportlichen Wellenreiter – überzeugende Gründe hier zu bleiben. In unserem Reiseführer ist der Ort als „öde und zersiedelt“ beschrieben, ein Abstecher sei nicht lohnenswert. Wir empfinden es anders. Der zentrale Platz mit den Strand-Cafés und Surfer-Shops gefällt uns (den übergroßen Sendemast blenden wir einfach aus). Auf der Suche nach einer guten Stelle für die Nacht gibt uns ein netter Typ im Vorbeigehen den ultimativen Tipp. Ein paar Meter außerhalb vom Ort, links abgehend von der Hauptstraße führe ein Weg vor zu den Klippen. Dort stünden schon andere Trucks und Fahrzeuge mit geeigneten Reifen, dort wäre es „pretty cool“.
Er hat absolut recht, hier ist es wirklich cool. Vereinzelt stehen ein paar Fahrzeuge herum inmitten der Landschaft auf Sand, Stein und grünem Kleingewächs. Gerade haben wir unseren Truck auf einer passenden Felsfläche abgestellt, da bekommen wir auch schon Besuch von einer Frau. Bunt gekleidet ist sie und strahlt uns an. Bestimmt fragt sie gleich, ob wir Schuhe oder Kleidung hätten, denken wir leise für einen kurzen Moment. Aber wir täuschen uns mal wieder gewaltig.

Ein wunderschöner Platz für die Nacht
HERZLICHE MALEGA
In Wirklichkeit begrüßt uns die Unbekannte freudig und reicht uns die Hand. Mir klopft sie herzlich auf die Schultern und freut sich offenbar sehr uns zu sehen, als würden wir uns schon Jahre kennen. Ein paar Meter begleitet sie uns auf unserem Spaziergang und kurz darauf verabschiedet sie sich fröhlich winkend und läuft Richtung Dorf.
Erst später erkennen wir, dass sie hier an den Klippen mit ihren Kindern wohnt. Vermutlich haben wir uns einfach ungefragt in ihrem Vorgarten breit gemacht und sie betrachtet uns freundlich als unangemeldete Überraschungsgäste.
Am nächsten Morgen lernen wir Malega und ihre drei Töchter Fatima, Hannen und Asma etwas näher kennen. Die Mädchen, schätzungsweise 18, 15 und 11 Jahre alt, freuen sich genauso über unseren Besuch wie ihre Mama Malega. Das finden wir richtig schön und es fühlt sich so gut an.
Als ich einmal mit Mama Malega und ihrer ältesten Tochter Fatima fließend mit Händen und Füßen auf Arabisch und Französisch parliere traue ich mich zu fragen, ob ich die beiden fotografieren darf. Sie sind begeistert und machen sich gleich zurecht für das Bild.
Fotografieren ist ein wichtiges Ereignis. Deshalb verschwindet für das Foto von einer auf die andere Sekunde das fröhliche Lachen aus den Gesichtern der beiden und sie blicken dem Anlass angemessen mit ernster Mine zu mir. Als ich ihnen danach einen Ausdruck ihres Fotos schenke, strahlen sie wie eh und je. Sie sind überglücklich.
Da kommen auch schon die beiden Jüngeren, Hannen und Asma, von ihrem Besuch im Dorf zurück. Von weitem ruft ihnen Malega zu, dass sie sich beeilen sollten, es würden Fotos gemacht. Malega hatte mich vorher gefragt, ob ich das für sie tun würde. Zusammen haben wir viel Spaß bei der Fotosession. Jedes Mädchen einzeln, dann alle drei Töchter zusammen, dann Töchter mit Mama und dann nochmal die kleine Asma zusammen mit der Europäerin Petra. Asma streichelt mir freundschaftlich über den Rücken und drückt sich vertrauensvoll an mich. Süß, oder?
Dass sie anschließend die Fotos als Ausdrucke bekommen, ist das Highlight schlechthin. Ich freue mich mit ihnen und bin mindestens so aufgeregt wie sie.
Später erfahren wir etwas Neues. Die Familie verbringt ihre Zeit nur bei schönem Wetter an den Klippen, weil der Vater hier angelt. Ihr Haus haben sie drei Kilometer entfernt von hier. Als es regnerisch wird, verabschieden sie sich nämlich von uns, packen ihren Esel und laufen nach Hause. Zum Abschied winken wir uns noch lange zu. Was für eine wunderschöne Begegnung.
Wieder wird uns bewusst: Es sind die Menschen, die das Reisen so wertvoll machen.

Malega und ihre drei hübschen Töchter, die sonst immer fröhlich lachen

Au revoir, Imsouane
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Hallo ihr zwei,
Mein Vater hat mir von eurem Blog erzählt, er hat euch schon ein paar mal getroffen in Marokko.
Finde euren Blog sehr schön zu lesen und auch sehr schöne Fotos.
Ich bin neidisch auf euch.
Ich freue mich schon auf neue Berichte von eurem Traum den ihr lebt.
Wünsche euch noch eine gute Reise weiterhin
Grus Fabian
Hallo Fabian,
ja stimmt, unsere Wege haben sich schon häufiger mit Uli gekreuzt und es ist jedes Mal eine große Freude.
Wir freuen uns, dass dir unser Blog gefällt und sagen vielen Dank für deine schöne Nachricht.
Dich bei uns mit auf Tour zu wissen, macht uns glücklich. Danke!
Liebe Grüße;
Win & Petra
Wieder ein sehr schöner beeindruckender Bericht vielen lieben Dank. Wir kennen von Marokko nur ein bisschen die Städte
Casablanka und Rabbat.Waren aber auch hier sehr beeindruckt von der anderen Kultur.
Wir haben nun ab Mittwoch unseren 2 Wöchigen Aufenthalt auf Gran Canaria hinter uns und hat auch einige eindrücke hinterlassen. Küstenorte voll von Tourissmus und Landes Innere rauhes Bergland das ein Eldorado für Fahrradsport ist und angenommen wird. Aber auch einsame Bergpfade die zum verlaufen einladen!
Freuen uns auf eure weitere Reise viel Glück weiterhin Liebe Grüße Jeane und Robert
Hallo ihr beiden Globetrotter,
schön, dass es euch in Gran Canaria offenbar gefallen hat.
Casablanca kennen wir wiederum noch nicht, vielleicht holen wir ja einen Besuch noch nach.
Auf jeden Fall „arbeiten“ wir weiterhin fleißig an weiteren Berichten.
Liebe Grüße von
Win & Petra
Diebstahl mit Bildern auf dem PC ! In den Reiseberichten sind soooo schöne Bilder und da habe ich mir ein paar gemopst. Die zwei Kamele ( einfach herrlich ) sind schon auf dem Bildschirm als Hintergrund bei mir – aber – werde die Bilder nur auf meinem PC behalten – keine weitere Verwendung. Muss es nochmal schreiben, die Berichte lassen sich so schön lesen – Kompliment an die Autorin und von Herzi wünsche ich euch weiterhin eine gute Zeit und keine Probleme auf den dortigen „Autobahnen „.
Viele Grüße Günter
Lieber Günter,
unsere Bilder sind auch deine Bilder. Du weißt doch, geteilte Freude ist doppelte Freude.
Die Autorin freut sich wie eine Schneekönigin. Vielen Dank!
Wir wünschen dir und deiner Herzidame auch eine gute Zeit in Herzi.
Liebe Grüße von Win & Petra
oh Petra,
Du schreibst wirklich gut. Mir gefallen deine Sätze sehr. Ich denke, Du bist von Beruf irgend etwas von der schreibenden Zunft. Mir gefällt das.
Liebe Grüße und weiterhin Gute Reise,
Toni Auer
Hallo, lieber Toni,
vielen Dank für das nette Kompliment. Tatsächlich durfte ich von Berufs wegen schon so manches Magazin sowie Webseiten und Kataloge betexten.
Die besonderen Menschen vom Nemerberg sind uns treue Reisebegleiter. Das gefällt uns.
Win und ich wünschen dir eine gute Zeit und senden herzliche Grüße,
Petra
Ach wie schön! 🙂
🙂 Ja, das isses.
Bussi