Dienstag, 9. Mai 2018 | Namibia – Kunene Region, Opuwo | Petra
HARTMANNBERGE UND MARIENFLUSSTAL
KAOKOVELD IM ZWEITEN ANLAUF
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – nach diesem Motto unternehmen wir mit zwei oder drei Wochen Verzögerung zusammen mit Conny & Tommy nun den zweiten Anlauf in das Kaokoveld. Der einsame Landstrich im Nordwesten Namibias zur Grenze nach Angola ist für Offroader und für uns ein besonderes Reiseabenteuer. Voll ausgerüstet mit Lebensmitteln, Wasser und Diesel und mit einem zuversichtlichen Blick auf die regenfreie Wettervorhersage machen wir uns von Opuwo aus auf den Weg.
Der Wilden Westen Namibias erwartet uns!
MITTEN DURCH DEN HOARUSIB
Noch können wir nicht sicher sein, dass unsere geplante Route problemlos funktionieren wird. Die Regenzeit hat den Schotterpisten ordentlich zugesetzt, und die Flüsse sind vielleicht noch zu nass oder zu weich, um sie zu queren. Zwölf Tage lang und über tausend Kilometer weit wird unser großzügiger Ausflug in eine der naturbelassensten Gegenden Namibias sein.

Die empfohlene Richtgeschwindigkeit von 60 km/h auf der Pad D3707 halten wir für reichlich ambitioniert und schon 91 Kilometer westlich von Opuwo nehmen wir unser erstes Straßenbauprojekt in Angriff. Im Hoarusib fließt noch hinreichend Wasser. Der Untergrund des Flusses ist weicher Sand, für unsere tonnenschweren Trucks ein denkbar schlechter Fahrbahnbelag. Mit großen umherliegenden Steinen bauen wir eine geeignete Straße durch die Furt, passend für unsere Spurbreite.

Tommy wagt sich mit seinem Laster voraus und testet die Haltbarkeit. Es sieht dramatisch aus, als der dicke Brummer sich tief vornüber in die Furt neigt.
Jetzt sind wir an der Reihe… Win und mir ist nicht wohl bei der Sache. Was ist, wenn wir abrutschen, steckenbleiben oder umfallen?! Fast wollen wir kneifen. Tommy gelingt es durch geduldiges Zureden, Win zu motivieren. Und siehe da, die Überfahrt ist dann doch ganz einfach.

Später genießen wir ein erfrischendes Bad im Fluss, die Sonne und die malerische Umgebung am Hoarusib.
DIE WÜSTE LEBT
Im Okondjombo-Gebiet bestaunen wir die unglaublich grüne und blühende Landschaft der sonst eher eintönigen und dürren Gegend. Hier zeigt die Regenzeit eindrucksvoll, wie sie mit ihrer Kraft die Natur in kürzester Zeit zum Leben erweckt. Es duftet üppig nach Thymian und Hyazinthen.
An einem kleinen Dorfteich irgendwo auf unserem Weg nach Orupembe begegnen wir Kindern, die den Auftrag haben, Wasser nach Hause zu holen. Sie lassen sich dabei reichlich Zeit und spielen viel lieber ausgelassen miteinander.

DIE SCHÖNEN HIMBA-FRAUEN
Hier und da treffen wir auf kleine Siedlungen der Himba mit Rondavels aus Ästen, Lehm und getrocknetem Kuhdung. Davor sitzen im Schatten Himba-Frauen mit ihren Kindern. Manchmal sind die Hütten vorübergehend verlassen. Als Halbnomaden lassen die Himbas ihr Vieh da weiden, wo es gerade genug Futter gibt.

© caroline75005 / Fotolia
Mehrere Stunden am Morgen widmen die schönen Himba-Frauen der Pflege und dem Schmücken ihres Körpers und ihrer Haare. Dafür stehen sie viel früher auf als die Männer. Mit einer rötlichen Paste aus Butterfett, Ocker und Harz reiben sie ihren Körper ein, um ihn vor Sonne und Feuchtigkeitsverlust zu schützen. Ihre Haare, die sie zu langen Zöpfen drehen, sind ebenfalls dick mit Ocker bestrichen. Intimpflege betreiben sie, indem sie sich über Rauch hockend räuchern.

© frag / Fotolia
Die Kleiderfrage ist dagegen schnell geklärt. Ihre Hüften verhüllen sie mit einem voluminösen Schurz aus gegerbtem Ziegenleder. Auf ein Oberteil verzichten sie ganz und tragen stattdessen üppigen Halsschmuck. Mehr brauchen sie nicht, um umwerfend auszusehen.
DA GEHT’S LANG

Damit niemand unterwegs verloren geht, sind an vier wichtigen Weggabelungen zwischen Hartmannberge und Marienflusstal außergewöhnliche Tonnen platziert. Die Groendrom, Oranjedrom, Bloudrom und Rooidrom (grüne, orange, blaue, rote Tonne) sind markante Orientierungshilfen im Nirgendwo.
DIE HARTMANNBERGE
Entlang der Hartmannberge eröffnen sich uns minütlich neue Landschaftsbilder. Vom Berg aus können wir sogar weit bis in die märchenhafte Dünenlandschaft des Skeleton Coast Parks blicken.

DER EINSAME MENSCH
Im menschenleeren Nirgendwo sehen wir ihn dann plötzlich unter einem schmalen Baum sitzen – den Lone Man.

Um ihn und die anderen seiner Art ranken sich viele Geschichten und Märchen. Keiner weiß, wie viele Lone Men es wirklich gibt. Neun, zehn oder mehr?
Die fast lebensgroßen Skulpturen aus Steinen und Eisendraht tauchen unvermittelt in der weiten Landschaft auf, in sitzender, stehender oder gehender Haltung und stets in sich ruhend.
Wo genau sie zu finden sind, offenbart sich nur dem, der sie direkt vor Ort selbst entdeckt. Ich habe zwei schlichtweg verpasst, so abgelenkt war ich von der Schönheit der Landschaft. Welcher Künstler diese außergewöhnlichen Kunstwerke erschuf und mit großem Einfühlungsvermögen in der Einsamkeit des Kaokoveldes arrangierte, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben.

Eine Erzählung besagt, es handele sich bei den Lone Men um Menschen, die die Wüstenlandschaft des Kaokoveldes so sehr liebten, dass sie sich in Stein verwandelten und seither Teil dieser magischen Landschaft sind. Als ich unseren Lone Man frage, was denn nun wirklich wahr sei an der ganzen Geschichte, lächelt er nur still vor sich hin. Der Rest ist Schweigen.

DIE MONSTERDÜNE
Von den Hartmannbergen aus führt uns unser Weg in östlicher Richtung zum Marienflusstal über eine etwa 180 Meter hohe Monsterdüne bergabwärts. Sanft gleitet unser Truck die weichsandige Düne hinab. Was für ein Erlebnis!

Foto 1, 3, 4: Conny
Und schon ein paar Kilometer später erreichen wir eine weitläufige Anhöhe, von der aus wir bis hinüber zu den Bergen im Süden Angolas blicken können. Fantastisch!


Auf unserem Weg in das Marienflusstal treffen wir auf unzählige Herden von Zebras, Oryxantilopen und Springböcken.

IM MARIENFLUSSTAL
Je weiter wir in das Tal vordringen, desto mehr sind wir überwältigt von der frühlingshaften Natur. Sanft wiegen sich die Gräser im Wind über Flächen so weit das Auge reicht. Wir schweben mit unseren elf Tonnen durch die Landschaft und fühlen uns, als wären wir Teil eines gigantischen Gemäldes.
Es ist ein unfassbar großes Glück, dass wir dieses Naturschauspiel so erleben dürfen. Diese Pracht haben wir dem üppigen Regen in diesem Jahr zu verdanken.


AM VAN-ZYL’S-PASS
Für hartgesottene Offroader ist der Van Zyl’s Pass eine große Herausforderung. Er ist nur in Ost-West-Richtung befahrbar, obwohl sich inzwischen noch härtere Offroader auch an der Gegenrichtung versuchen. Unser Truck ist für diesen risikoreichen Pass schlichtweg zu groß, anschauen wollen wir uns das steilste Passstück aber schon und laufen ihn hoch.

Später erfahren wir aus der Allgemeinen Zeitung (älteste, deutschsprachige Tageszeitung Namibias), dass gerade wieder ein südafrikanischer Tourist seinen Land Cruiser dort versenkt und schließlich restlos verloren hat. Autsch!

DIE MUTTER VERLOREN
In jedem Reiseführer wird vor einer Fahrt in das Kaokoveld gewarnt und eindringlich auf die Notwendigkeit besondere Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen. Von einer Fahrt alleine wird gar ganz abgeraten. Bei Notfällen oder Pannen ist mit Hilfe nämlich nicht zu rechnen.
Es ist ja schon genug des Glücks, wenn irgendwo Wassertanks stehen, die Wasser (kein Trinkwasser!) haben und auch noch funktionieren.

An einem der schönsten Plätze ganz oben im Norden des Marienflusstals, passiert das Unschönste, das einem Reisenden passieren kann – eine Fahrzeugpanne! Die Blattfeder an Connys & Tommys Truck verliert eine dicke Mutter, die Feder droht aus ihrer Aufhängung zu rutschen. Ohne sofortige Reparatur ist eine Weiterfahrt unmöglich.
ADAC gibt es hier keinen, Telefon und Internet auch nicht.

Mit vereinten Kräften und einer robusten, original afrikanischen Hebekonstruktion aus dicken Steinen und drei LKW-Wagenhebern gelingt es schließlich, die Blattfeder zu entspannen und so in Position zu bringen, dass eine Ersatzmutter montiert werden kann.
Schaden behoben, Problem gelöst!
Schon am nächsten Tag schlägt das Pannenschicksal erneut gnadenlos zu. An einem spitzen Rest eines Mopanebaumstammes reißt sich Tommy ein großes Loch in die Flanke seines neuen Vorderreifens. Den Reifen haben Conny & Tommy zwar ruck-zuck getauscht – das machen die beiden eingespielten Trucker mit links. Es ist der finanzielle Schaden, der schmerzt.
Ein gemütliches Lagerfeuer am Abend bei Vollmond spendet Trost und am nächsten Morgen sieht die Welt schon gleich viel besser aus.

DER ABSCHIED NAHT
Unsere große Kaokoveld-Runde führt uns Tag für Tag durch umwerfend schöne Landschaften. Wir lassen uns genüsslich treiben in Richtung Puros, am Flussbett des Gomatum entlang bis nach Sesfontein. Jetzt fahren wir genau die Strecke, die damals wegen der schweren Regenfälle nicht befahrbar war.
Am letzten gemeinsamen Abend mit Conny & Tommy verwöhnt uns der Abendhimmel mit einem malerischen Spiel des Mondes mit den Wolken. (Ein Foto gibt es davon nicht, das müsst ihr uns jetzt einfach so glauben.)

In Sesfontein heißt es dann für unbestimmte Zeit Abschied zu nehmen von Conny & Tommy. Wir wollen in den Norden zu den Epupa Falls am Kunene, dem Grenzfluss zwischen Namibia und Angola. Der Kunene hat jetzt viel Wasser, und die Wasserfälle entfalten dementsprechend ihre volle Pracht. Das wollen wir uns ansehen. Conny & Tommy führt ihr Weg erst nach Etosha zu den wilden Tieren und weiter zum Caprivi.
Unsere gemeinsame Tour durch das Kaokoveld wird uns unvergesslich bleiben, und wir werden noch so manches Lagerfeuer brauchen, bis wir all die wunderbaren Eindrücke verarbeitet haben. Was für ein einmalig schönes Erlebnis. Vielen Dank, Conny & Tommy!

DIE EPUPA WASSERFÄLLE
In der Sprache der Herero heißt Epupa „fallendes Wasser“. Also bestaunen wir bei den Epupa Falls das rauschende Wasser des Kunene, das vierzig Meter in die Tiefe stürzt. Im Schatten hoher Makalani-Palmen sitzen wir gemütlich am Ufer des Flusses, hoffen, dass kein Krokodil uns die Zähne zeigt (verräterische Fußspuren haben wir zehn Meter rechts von uns entdeckt) und erholen uns von den vielen Kilometern, die wir in den vergangenen Tagen gefahren sind. Wie gut das tut!
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Hallo Petra und Win,
mit grosser Begeisterung lesen wir eure grossartigen Berichte ,welche augenblicklich unsere Sehnsucht nach Afrika wieder weckt.
Wir, Harald und Chris,lernten euch auf der Opuwo Country Campsite kennen.Wir standen neben euch mit unserem Mini -Hilux Dachcamper.
Inzwischen sind wir wieder im Ländle im Augenblick gerade auf einer Campsite am Bodensee bei Konstanz und lassen uns von euch zu einer erneuten Reise durch Afrika (Namibia/Botswana) animieren.
Herzlichen Dank fürs Teilhaben an eurer schönen und abenteuerlichen Zeit in Afrika.
Wir wünschen euch weiterhin gute Reise, passt auf euch auf !
Herzliche Grüße vom Bodensee
Chris und Harald
Hallo Chris, hallo Harald,
wie schön, dass ihr euch meldet! Ihr seid wieder zu Hause und genießt den Sommer am Bodensee, das hat sehr viel Charme. Hier im Südlichen Afrika wird es nachts nämlich schon recht kalt und das Sonnenlicht wirkt herbstlich. Zum Glück haben wir Lagerfeuer und Heizung. Wir freuen uns sehr, wenn euch unser Blog Spaß macht und wir euer Reisefieber weiter anheizen können. Geht bitte gern weiter mit uns auf Tour, das gefällt uns. Vielen Dank dafür.
Genießt den Sommer und lasst es euch auch richtig gut gehen!
Liebe Grüße,
Win & Petra
Hallo ihr beiden Weltreisenden,
eure Abenteuer sind wirklich fantastisch, es macht riesig Spaß das vom sicheren Sessel aus zu verfolgen 😉 Die weiten Ausblicke müssen umwerfend sein, fast nicht vorstellbar hier in der City.
Bin schon gespannt auf eure nächste Episode…
Liebste Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
danke für deine schöne Nachricht. Ja, die weiten Landschaften sind unvorstellbar schön und berührend.
Wir sind froh, das erleben zu dürfen.
Ganz liebe Grüße in die Heimat,
Petra
Hallo Petra und Win danke für den schönen Reisebericht und weiterhin gute Reise
Gruß Erika Lindl
Liebe Erika,
wir freuen, wenn dir unser Reisebericht gefällt. Wir arbeiten fleißig an neuen 🙂
Liebe Grüße,
Petra & Win
Liebe Petra, lieber Win …
wie schon oft betont ist das zwar eine äußerst unschöne , wenn auch eine menschliche Reaktion die Euer Bericht und die Wahnsinns Fotos in mir auslösen … ich BENEIDE Euch zutiefst um diese Reise wie fantastisch muss das sein ! So habe ich Namibia noch nie erlebt ! Ganz ganz großes Kino, habt weiterhin viel Freude dabei, passt auf Euch auf und genießt jeden Moment ! Viele liebe Grüße aus Ibiza
Liebe Ines,
über deine schöne Nachricht freuen wir uns sehr, vielen Dank dafür! Ja, wir sind auch überwältigt von der Landschaft und davon, wie sehr die Regenzeit sie in ein grünes duftendes Meer verwandelt. Wir sind uns unseres großen Glücks sehr bewusst. Inzwischen bewegen wir uns mehr und mehr Richtung Botswana, unsere herrliche Zeit in Namibia geht allmählich zu Ende.
Genieße du bitte auch jeden Moment auf Ibiza!
Liebe Grüße,
Win & Petra
Hallo,
wiedermal ein ganz toller Bericht und fantastische Fotos.
Macht weiter so
Armin
Danke Armin,
es freut uns, wenn dir unser Beitrag gefällt.
Beste Grüße,
Win & Petra
Hallo Ihr Lieben,
Das sind ja super schöne Bilder und dieses grün ist ein wunderschöner Kontrast zum blauen Himmel! Danke das wir so mit euch reisen dürfen.
Lieb gruss gabi und peter
Danke ihr Lieben,
ja das Grün hat schon deshalb seinen besonderen Reiz, weil es sonst eher staubig, sandig und trocken überall ist.
Es ist schön zu wissen, dass ihr bei uns dabei seid.
Liebe Grüße in die Schweiz!
Win & Petra