Dienstag, 14. August 2018 | Südafrika – Mpumalanga, Mbombela | Petra
WILDE OSTKÜSTE IN KWAZULU-NATAL
VON DER WILD COAST BIS ZUR ELEPHANT COAST
Wilde Küste – klingt doch irgendwie interessant, oder? Deshalb wollen wir auch da hin. „Passt gut auf euch auf!“ und „Lasst euch von schön klingenden Ortsnamen nicht verführen, fahrt einfach durch und haltet bloß nicht an!“, diese und ähnliche fürsorglichen Ratschläge begleiten uns, als wir uns im Juli vom Küstenort Salt Rock aus über Durban mutig auf den Weg zur Wild Coast machen.
WIR LASSEN UNS HÄNGEN
Bevor wir uns aber endgültig in das ungewisse Abenteuer Wild Coast stürzen, finden wir am Lake Eland erst noch eine andere Art des Nervenkitzels. Wir wagen eine aufregende Zip Line Tour über die Oribi Schlucht. Den Tip für diesen Adrenalinkick geben uns Lynnè, Grant, Carola und Jan aus Durban, die wir in Salt Rock kennenlernen.
Mit Helm auf dem Kopf und Sitzgurt unter dem Po hängen wir uns an gespannte Drahtseile und rauschen mit Geschwindigkeiten von bis zu 75 km/h von Station zu Station über den oft erschreckend tiefen Abgrund. Es ist angeblich die längste Zip Line Tour Afrikas mit einer Gesamtlänge von über vier Kilometern verteilt auf 14 Stationen. Die einzelnen Drahtseilstrecken sind zwischen 120 und 680 Meter lang. Eineinhalb Stunden lang sausen wir munter von Plattform zu Plattform.
Während mein Adrenalindurst damit fürs Erste wieder gestillt ist, gönnt sich Win einen Nachschlag. Auf einer 80 Meter langen Hängebrücke schreitet er genüsslich über die spektakuläre Oribi Schlucht, tief unter ihm der Mzimkhulwana River. Was für ein Gefühl!

DAS ANDERE SÜDAFRIKA
Was hat es mit der Wild Coast auf sich? Und mit den Ermahnungen zu erhöhter Vorsicht? Die Region der ehemaligen Transkei, zu Zeiten der Apartheid ein „staatlich unabhängiges“ Homeland, gilt als besonders arm und strukturell benachteiligt. Immer wieder wird von Diebstählen oder Überfällen in dieser Gegend berichtet. Die Stadt mit dem niedlichen Namen Lusikisiki beispielsweise genießt diesbezüglich keinen besonders guten Ruf in Südafrika.
Andererseits steht bei Wanderfreunden und Naturliebhabern die Wild Coast ganz hoch im Kurs. Unberührte Natur, subtropische Wälder, imposante Wasserfälle, weite Hügellandschaften und die malerischen Buchten am Indischen Ozean bieten ein fantastisches Naturerlebnis.

Besonders beliebt sind die mehrtägigen von einheimischen Guides geführten Wandertouren mit Unterbringung in einfachen oft privaten Unterkünften entlang der Küste.

Die Küstenregion ist sehr ländlich geprägt und noch relativ wenig erschlossen. Schicke Badeorte mit großen Hotels oder eine bequeme Küstenstraße wie an der Garden Route im Western Cape gibt es hier nicht. Alles ist etwas beschaulicher.

Die goldenen Hügel der winterlichen Landschaft erscheinen wie mit Zuckerstreusel verziert durch die weit verstreuten, farbigen Häuschen und Rundhütten ihrer Bewohner. Es gelingt uns nicht zu erkennen, wo das eine Dorf endet und das nächste beginnt. Die Straßen sind holprige Staubpisten mit tiefen Schlaglöchern, die uns zur Langsamkeit zwingen. Sie führen oft nur als Stichstraßen an die schönen Strände und schroffen Klippen der Küste und wieder zurück auf die Verbindungsstraßen, das braucht Zeit. Wie schön, dass wir es nicht eilig haben.

Am Wegesrand halten wir einen Plausch mit einem Bauern, der gerade mit seinen Leuten ein Maisfeld bestellt. Er möchte wissen, woher wir kommen. „Deutschland, das ist ein reiches, stabiles Land. Da ist alles geordnet.“, so seine Vorstellung. „Die jungen Männer hier sind faul und liegen lieber in der Sonne herum, statt zu arbeiten“, beklagt er sich. „Deshalb habe ich acht Frauen und nur drei Männer, die für mich arbeiten. Ein Jammer ist das.“ Es fällt ihm schwer sich vorzustellen, dass eine deutsche Durchschnittsfamilie nur ein oder zwei Kinder hat. „Wieso das?“, fragt er verwundert. Fünf oder acht Kinder zu haben, ist unter der schwarzen Bevölkerung Südafrikas schließlich Normalität.
Unterwegs begegnen wir freundlich grüßenden Frauen und Männern, fröhlich winkenden Schulkindern, vollgestopften Minibussen und anderen Autofahrern. Unsere Fahrwege teilen wir hin und wieder auch mit Kühen, Schafen, Schweinen und Ziegen. Alle sind wie wir ohne Eile unterwegs. So mögen wir das.

Und wir amüsieren uns über Kühe, die mitten im Teefeld genussvoll die saftigen Blätter von den Büschen knabbern. Für unseren Abstecher zu den Magwa Falls fahren wir durch die Magwa Tea Plantation, angeblich die größte Teeplantage auf der Südhalbkugel. Wir sind eingebettet in leuchtend gelbgrüne Teefelder soweit das Auge reicht. Ist das ein herrlicher Anblick!

Die Magwa Falls selbst liegen beinahe etwas versteckt inmitten der Teeplantage. Wir sind beeindruckt von der tiefen Schlucht, in die das Wasser 142 Meter hinabstürzt. Um diese Jahreszeit fließt nur relativ wenig Wasser, in der Regenzeit rauschen hier Massen in die Tiefe und der Wasservorhang ist viel dichter.

Es gibt so viel zu sehen in dieser Region. Die Vielfalt an Landschaftsbildern, die die Wild Coast aus dem Ärmel zaubert, fasziniert uns. Schroffe Klippen wechseln sich ab mit einsamen Buchten. Üppige Wälder aus Palmen, Bananenbäumen, Bambus und allerlei anderem Grün umsäumen feinsandige Strände. So haben wir Südafrika noch nicht gesehen.
Die Menschen hier begegnen uns mit viel Freundlichkeit. Wir fühlen uns sehr willkommen. Oft rufen die kleineren Kinder ein quietschendes „Sweets!“, wenn wir vorbeifahren und winken. Obwohl wir ihnen keine Süßigkeiten geben, winken sie freudig zurück.

Und bei Elize und Olga kaufen wir die besten Bananen und schmackhaftesten Tomaten, die wir seit langem gegessen haben. Mit strahlendem Lächeln und fröhlichem Winken verabschieden sie uns.
Auf holprigen Pisten zockeln wir weiter nach Coffee Bay, einem kleinem Ort mit Hippie-Ambitionen und etwa 600 Einwohnern. Etwas schmuddelig wirkt der Badeort, der in der südafrikanischen Urlaubszeit ein beliebtes Reiseziel ist. Jetzt ist es wie überall an der Küste recht ruhig und leer. Vielleicht entfaltet sich erst in der Saison der besondere Charme dieses Ortes, der uns auf den ersten Blick verborgen bleibt.
Ihren Namen hat die Coffee Bay übrigens von Kaffeebohnen, die an den Strand gespült wurden, als 1893 ein gesunkenes Schiff vor der Küste seine Fracht verlor. Die Bohnen sollen gekeimt und viele Kaffeebäume hervorgebracht haben. Heute ist von den Bäumen nichts mehr übrig, aber der Name ist geblieben.

Hier lernen wir die gut gelaunte Tamara kennen. Sie ist 26 und lebt wie ihre sechs zumeist älteren Brüder noch zu Hause bei der Mutter. Sie arbeitet auf einem Campingplatz im Ort, elf Stunden am Tag für 50 Rand pro Tag, umgerechnet etwa 3,50 Euro. Sie bringt uns ein paar Worte in isiXhosa bei, die Sprache der Xhosa (sprich: Kosa). Sie träumt davon irgendwann einmal zwei Kinder zu haben, die sie mit dem Auto zur Schule fährt. „Maybe one day“, sagt sie.
Ein paar Kilometer weiter erreichen wir im Nachbarort Hole in the Wall das legendäre Loch im Felsen. Majestätisch thront der schroffe Fels samt Loch im Wasser und es ist klar, weshalb sich um diese faszinierend schöne Gesteinsformation so mancher Mythos rankt.

Etwas außerhalb von Coffee Bay gefällt es uns richtig gut, so dass wir uns gleich für mehrere Tage dort einrichten.

Unsere Blicke gleiten über das endlose Blau des Ozeans, der seine weißen Wellen kraftvoll an den menschenleeren Strand wirft. Wale schieben ihre massigen Körper aus dem Wasser und große Gruppen von Delfinen schwimmen an uns vorbei. Sie folgen den riesigen Schwärmen von Milliarden von Sardinen, die Richtung Mosambik und schließlich weiter östlich in den Indischen Ozean ziehen. Ein gefundenes Fressen für Wale, Haie, Delfine, Seehunde und Vögel. Beinahe jedes Jahr von Mai bis Juli spielt sich dieses Naturphänomen des Sardine Run an der Küste ab.
In einem Artikel des Spiegel vom 02.07.2011 beschreibt der Autor James Hamilton-Paterson sehr anschaulich den Sardine Run > zum Artikel

Wir grillen fangfrischen Crayfish (Langusten), wandern an der abwechslungsreichen Küste entlang, beobachten Klippenangler bei ihrer Arbeit, hüten die Schafe in unserem Vorgarten und genießen die strahlende Sonne des angenehm warmen Südwinters.

Und wir überlegen, ob wir mit den Kindern vom Dorf zusammen Schlittenfahren sollen. Winterzeit ist schließlich Schlittenzeit, und das gilt auch für die Kinder in Südafrika.

Schnee brauchen sie dazu nicht, sie rutschen einfach den Grashang hinunter auf den praktischen Warnschildern zur Absicherung von Baustellen. Sie haben jede Menge Spaß dabei, und das vergnügte Lachen der Jungs und Mädchen schallt bis zu uns herüber.
WEITER IN DEN NORDEN
Von der wunderschönen, wildromantischen Wild Coast aus sind wir nun in einer wichtigen Mission in entgegengesetzter Richtung unterwegs. An der Grenze zu Mosambik im Norden Südafrikas wollen wir unsere neuen Carnets für unseren Truck und unsere Enduro ordnungsgemäß beim Zoll abstempeln lassen. Unsere lieben Freundinnen Uli und Bettina aus Deutschland haben sie uns geschickt, und die Papiere liegen nun für uns zur Abholung bei DHL in Durban bereit.
Ohne Eile lassen wir uns nach Nordosten treiben, entlang der Elephant Coast von Maputaland. Wir besuchen den iSimangaliso Wetland Park, seit 1999 UNESCO Weltnaturerbe und ein landschaftlich sehr reizvolles Fluss-, Seen- und Küstengebiet mit Sümpfen, subtropischer Vegetation, kilometerlangen Sandstränden, hohen Dünen und einer bunten Tierwelt an Land und zu Wasser.

Der kleine Badeort St. Lucia zum Beispiel ist bekannt dafür, dass abends mit Flusspferden auf der Straße zu rechnen ist. Warnschilder ermahnen zur Vorsicht. Im südafrikanischen Sommer tummeln sich hier die Urlauber in Massen, jetzt teilen wir uns das alles mit nur wenigen anderen, hauptsächlich Tauchbegeisterten.
Noch ruhiger als in St. Lucia ist es in der Sodwana Bay. Den Strand haben wir meilenweit für uns alleine. Vor uns der erfrischende Ozean, hinter uns beeindruckend hohe bewachsene Dünen und unter unseren Füßen der prickelnde Sand. Das sind perfekte Momente!

Eine Fahrstunde weg von der Küste haben wir auch noch eine andere Attraktion, die wir erkunden wollen – den Naturpark Hluhluwe-iMfolozi (sprich: Schluschlui–Imfolozi). Der 96.000 ha große, wunderschöne Park ist Heimat für viele spannende Tiere, unter anderem für die Big Five. Ganz besonders wohl fühlen sich hier offenbar Breitmaulnashörner. Bei nur einem unserer Game Drives entdecken wir allein 32 dieser beeindruckenden Geschöpfe. Es ist eine Augenweide zu beobachten wie sie ihre massigen Körper langsam und mit beinahe tänzelndem Gang vorwärts bewegen.

FRISCHE FISCHE
Unsere letzte Station vor Mosambik ist Kosi Bay im nördlichen KwaZulu-Natal, nicht nur hinsichtlich des Fischfangs ein besonderer Ort. Auch für uns beide persönlich ist er besonders, weil wir erwartet werden. Unser südafrikanischer Freund Jan, den wir vor fast einem Jahr in Matatiele mit seinem Scooter kennengelernt haben, hat sich hier inzwischen niedergelassen und wartet auf uns. In den letzten Jahren hat Jan einige Länder im südlichen Afrika auf seinem Scooter bereist und bisher 31.000 Kilometer (!) gesammelt – ganz zu schweigen von den unzähligen Erlebnissen. Chapeau!

Die Freude ist groß und wir feiern unser Wiedersehen bei einem frisch gegrillten Fisch, den Jan persönlich für uns zubereitet und auf dem Lagerfeuer in Folie gart. Saftig, zart und köstlich!
Fisch zu essen, ist das eine, Fisch zu fangen das andere. Auf einer Bootstour auf drei der vier Seen von Kosi Bay weiht uns Nhlakonipo in eine besondere, 600 Jahre alte Methode des Fischfangs ein.

Utshwayelo heißt diese Art Fisch zu fangen. Nicht mit Angeln oder Netzen, sondern mit Fischfallen aus flexiblen Holzzäunen wird hierbei gearbeitet. Die Fische treiben von allein in die Fisch-Kraals und werden dort schließlich „geerntet“. Nirgendwo sonst in Afrika wird noch auf diese schonende und ausgeklügelte Weise Fisch gefangen, erzählt uns Nhlakonipo. Sehr interessant.

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Wir beneiden euch,aber wir freuen uns das wir mit den grandiosen Bildern, den super Kommentaren daran teihaben dürfen.Vielen Dank extra dafür.Ja ihr macht es richtig!!!!Bleibt gesund und überrascht uns weiterhin mit den grandiosen Beiträgen.
Es grüßt euch Jeane u Robert vom Nemerberg
Liebe Jeane, lieber Robert,
es freut uns sehr, dass ihr so treue Leser seid und Spaß an unseren Beiträgen habt. Danke an euch! Lasst es euch bitte auch gut gehen und grüßt den Nemerberg und seine lieben Menschen ganz herzlich!
Liebe Grüße aus Lusaka,
Win & Petra
Toller und packender Bericht. Ich spür schon das Kribbeln in mir, möchte am liebsten gleich losfahren!!
Ganz toll, weiter so…
Hallo Armin,
Kribbeln klingt gut! Es ist schön, dass du dich so von uns mitreißen/mitreisen lässt, vielen Dank dafür.
Herzlichste Grüße,
Win & Petra
Wunderschöne Bilder und Berichte
LG Charlie
Danke, lieber Charlie, über dein Kompliment freuen wir uns sehr, geht runter wie Öl
Ganz liebe Grüße,
Win & Petra