Freitag, 3. März 2017 | Marokko – Fès-Meknès, Fès | Win & Petra
WUNDERLAND WÜSTE
MAROKKOS MEER AUS STEIN UND SAND
Nach den herrlichen Wochen an der Küste zieht es uns nun weiter in das Landesinnere des nordafrikanischen Königreichs. Von Guelmim aus fahren wir entlang des Antiatlas-Gebirges in zwei Tagen etwa 420 Kilometer östlich bis nach Foum Zguid. Die Wüste ist unser Ziel.
NACHTS BEI DER POLIZEI
In Tarhjijt legen wir einen Übernachtungsstopp ein, weil wir am nächsten Tag noch einen kurzen Abstecher ins nahegelegene Amtoudi-Tal machen wollen. Dort soll es zwei besonders interessante Speicherburgen geben.
Es wird schon dunkel als wir in Tarhjijt eintreffen und wir haben noch keinen Übernachtungsplatz. Das ist die Gelegenheit für uns einmal zu testen, ob wir bei der örtlichen Polizeistation über Nacht stehen dürfen. In unseren Reiseführern haben wir immer wieder davon gelesen. Und tatsächlich, wir werden freundlich mit Handschlag begrüßt und eingeladen, direkt neben dem Gebäude auf dem Seitenstreifen zu stehen. Die Polizei, dein Freund und Helfer.
Am nächsten Tag wuppen wir den Abstecher ins Amtoudi-Tal und die restlichen 340 Kilometer bis Foum Zguid in einem Rutsch. Die gut ausgebauten Regionalstraßen sind fast leer. Das lässt uns Zeit zum Staunen. Denn vor uns tun sich immer wieder völlig unterschiedliche Felslandschaften auf. Mutter Erde war damals zur Entstehungszeit dieser Gesteinsmassen ausgesprochen kreativ.
Die kleine Oasenstadt Foum Zguid ist der erneute Treffpunkt für das Feuerwehrteam und uns. Von dort werden wir nämlich unser nächstes gemeinsames Abenteuer starten: eine Offroad-Tour zum Erg Chegaga, der größten Sandwüste Marokkos.

DIE WÜSTE LEBT
Freudig aufgeregt und mit ausreichend Wasser an Bord starten wir unsere mehrtägige Wüsten-Expedition. Wir holpern Kilometer um Kilometer auf steinigen Pisten vorbei an mächtigen Felsmassiven, die mit dem Sonnenstand auch ihr Aussehen immerfort verändern. Mal dunkelbraun, mal leuchtend rot bis violett. Die endlosen Steinfelder um uns herum schimmern sandig braun, dunkelgrau und sogar blau. Stein so weit das Auge reicht, hier und da ein harter stacheliger Strauch oder ein paar einsame Gräser. Einsamkeit bis zum Horizont – so scheint es zumindest.
Zu vorgerückter Stunde stellen wir unsere Fahrzeuge direkt neben der Piste ab. Stille. Ein Vögelchen zwitschert. Stille. Aus der Ferne dringt das Brummen eines Motors an unsere Ohren. Ein paar Minuten später nähert sich das Auto. Sein Fahrer hält an, begrüßt uns mit einem freundlichen „Labas?“ (Geht’s gut?) und einem Handschlag. Ob er auf dem richtigen Weg nach Foum Zguid sei, möchte er wissen und setzt kurz darauf seine Holperpartie fort. Noch etwa 15 Kilometer liegen vor ihm und es ist schon dunkel.
Zu viert genießen wir den stillen Abend in der steinigen Wüste. Wir plaudern miteinander und beobachten weit entfernt in der Dunkelheit ein kleines Licht. Kommt da jemand auf uns zu? Es scheint ein Lagerfeuer und auch eine Stirnlampe zu sein. Heute Nacht werden wir wohl nicht mehr erfahren, was sich da vor den Bergen abspielt. Aber schon am nächsten Morgen bringt der Blick durch das Fernglas Klarheit. Es ist ein Nomade, der mit seiner Dromedarherde dort ruht und nun in aller Frühe seinen Weg weitergeht.
Mir scheint, als würde ich irgendwo von weit her Stimmen hören. Ich lausche angestrengt. Es klingt wie ein fröhliches Plappern. Bekommen wir etwa Besuch? Bald tauchen tatsächlich Kinder in Begleitung eines jungen Mädchens vor uns auf. Sie sind auf dem Weg zur Schule. Nach Foum Zguid, zu Fuß. Wir haben keine Ahnung, wie lange die fünf schon unterwegs sind, denn wir sehen später bei unserer Weiterfahrt weder ein Haus noch ein Zelt. Wir wissen nur, dass sie noch 15 Kilometer bis zu ihrer Schule gehen müssen.
Susanne kramt in ihrer Spendenkiste nach ein paar Schuhen, die einem der Mädchen passen dürften. Ein paar Minuten später verabschieden sich die Kinder und marschieren weiter, mit neuen Stiften für die Schule und einem Paar neuer Sneakers.
Noch lange schauen wir ihnen nach und sind schlichtweg verblüfft über den weiten Schulweg dieser Kinder.

SANFTE SANDWELLEN
„Genau so hatte ich mir unsere Reise in meiner Fantasie immer ausgemalt. Endlose Weite und frei in grandioser Landschaft stehen. Alleine unterwegs zu sein, nichts zu brauchen, weil wir das Notwendige dabei haben. Weit und breit kein Mensch.“ Win ist nicht der einzige unter uns, der so ins Schwärmen gerät, als wir nach vielen Kilometern Pistenfahrt am nächsten Nachmittag Erg Chegaga erreichen.
Ich schmelze förmlich dahin beim Anblick der weich geschwungenen Sanddünen, die sich mit klaren Konturen gegen den strahlend blauen Himmel abheben. Ein Bild für Götter und wir mittendrin.
Mit der Enduro entschwindet Win für einige Zeit in die Steinwüste und genießt das faszinierende Nichts, das zugleich so unfassbar viel ist. Große Glücksmomente!
Noch mehr Glücksmomente beschert den Jungs das Offroad-Fahren über kleinere und größere Sanddünen. Hier wird getestet, was Fahrzeug und Fahrer so drauf haben. Susanne und ich halten die spektakulären Manöver für die Ewigkeit in Bildern fest.
Nicht in Bildern festhalten können wir dagegen die Fata Morgana, der wir auf unserer Fahrt zum Erg (bedeutet Sand) erliegen. Wir sind uns sicher, vor uns den großen Iriki-See zu haben. Deutlich sehen wir die Wasseroberfläche glitzern und können sogar Schilf und Menschen in der Ferne ausmachen. Alles leider nur luftgespiegelte Einbildung.


Als wir zwei Tage später weiter wollen und unser Equipment einpacken, macht Adlerauge Susanne im Fach unserer Kabinenbatterien eine dramatische Entdeckung. Die Konsole, die die vier jeweils 75 Kilogramm schweren Batterien sicher in Position halten soll, ist gebrochen. Noch dazu an mehreren Stellen. Die Edelstahlkonstruktion hat offenbar der Belastung beim Pisten- und Dünenfahren nicht standgehalten.
Zum Glück weiß auch dieses Mal unser persönlicher Bordingenieur Stefan Rat. Die beiden oberen Batterien werden ausgebaut und hinten auf dem Motorradträger sicher befestigt. So kann auf den langen Kilometern, die noch vor uns liegen, nichts weiter kaputt gehen, vor allem nicht die Batterien. Und die beiden übrigen Batterien liefern uns weiterhin den gewünschten Strom. Passt!

ABBAS UND DIE OASE
Auf geht’s zu unserem nächsten Etappenziel in die Oase Sacrée. Dort lernen wir den Einsiedler Abbas kennen. Er lebt alleine hier mit einer Ziegenherde, betreibt eine Art Wüstencamp und bewirtschaftet einen großen Gemüsegarten, natürlich alles voll Bio (abgesehen von den Zigaretten). Er ist wohl Arzt und hat Jahre lang in der Schweiz gelebt. Er spricht abwechselnd Deutsch, Englisch, Französisch und lädt uns nach Berberart zum Tee ein. So richtig schlau werden wir nicht aus ihm und seinen Diskussionen, die er mit Susanne führt.
Die Oase Sacrée und Abbas werden uns unvergesslich bleiben.

Für alle, die es ganz genau wissen wollen, lässt sich bei Wikipedia übrigens folgende interessante Beschreibung finden:
L’Oasis sacrée d’oum Lâalag liegt 50 km südwestlich von M’Hamid in Marokko an der alten Piste nach Timbuktu, wenige Kilometer vor der algerischen Grenze.
Die Oase ist etwa 15 Hektar groß und gilt als heilig, weil sie das kostbarste Reichtum der Wüste hat: Wasser. Die Quelle wird nach einem alten Volksglauben von einer schützenden Seele bewohnt. In der Oase gibt es ein Biwak-Lager, in dem nach strengen Regeln umweltfreundlicher Tourismus angeboten wird. Von dort kann man die hohen Dünen von Erg Chegaga auf dem Kamel oder im Geländewagen erreichen.
Die Oase ist Teil des 123.000 Hektar großen Nationalparks D’Iriqui, der 1994 gegründet wurde. Es gibt in der Umgebung Dorkasgazellen, Afrikanische Strauße, Mähnenspringer, Oryxantilopen, Hyänen und Kragentrappen.
(Quelle: Wikipedia)

Am Ende unserer Wüstentour wollen wir uns in M’Hamid vom Dorfschreiner ein funktionierendes Provisorium für unsere Batteriekonsole schnitzen lassen. Zwei junge Männer aus dem Dorf sind uns behilflich und führen uns zur Schreinerei. Die erste hat zwar das Holz, aber nicht die Maschine zum exakten Zuschneiden. Die zweite Schreinerei wiederum hat die Maschine, aber der, der sie bedienen kann, ist für zwei Tage verreist. Also dann doch zum hiesigen Dorfschmied. Unter Stefans Regie verschweißt und verstärkt er die bestehende Konsole ordentlich. Noch am selben Abend ist innerhalb von zwei Stunden zum Glück alles wieder repariert. Alle Beteiligten sind mit dem Ergebnis äußerst zufrieden.

FEUER GEFANGEN
Wir haben uns in die Wüste verliebt. Sie lässt uns nicht mehr los. Schon eine Woche später entscheiden Win und ich uns, auch noch Erg Chebbi zu besuchen. Dieses Mal werden wir alleine für mehrere Tage unterwegs sein, Susanne und Stefan haben andere Pläne.
Von der Oase Source Bleue in Meski nehmen wir die Nationalstraße N10 nach Boudnib. Etwas außerhalb des Ortes führt die Piste durch eine Steinwüste unweit der Algerischen Grenze nach Arfoud. Unser Freund Mohammad vom Campingplatz in der Oase Source Bleue hat uns den Tipp für die etwa 95 Kilometer lange Route gegeben. Er muss es wissen, denn er begleitet häufig Touren durch die Wüste.
Bei Arfoud wählen wir schließlich die nächste Piste, um Erg Chebbi über die Ostroute zu umrunden. Wir genießen herrliche Sonnentage in den Dünen. Mit 24 – 28 Grad tagsüber und etwa 12 Grad in der Nacht ist es angenehm warm. Es ist windstill und alles um uns wirkt so friedlich. Wir fühlen uns so unbeschreiblich leicht und frei.
Wüste ist wunderbar!


Auf der Ostroute des Erg Chebbi begegnen wir vereinzelt ein paar Nomaden oder ihren Zelten
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Hello our dear friends,
We have been talking and thinking about you a million times. Tijn still remembers you with joyful memories, how is that 😀 What a great pleasure to read you through all these adventures. You guys LIVE. And what a pure art your stories and pictures are! Sending balloons full of warm wishes to you from Summer in Holland. Time wants us to be here now (but we can’t wait to be on the road again). Xxx Miriam, Bas & Tijn
Hello again,
what a great pleasure to get your message. Happy! Thank you so much for your wonderful thoughts. Like you we are very much looking forward to being back on the road again. At the moment our truck is getting treatments at the garage and is looking quite fallen apart. But it is only to it’s best :-). It soon will be back in good shape.
Sending love from our home base to all three of you
xx Win & Petra
Vielen,vielen,vielen lieben Dank für eure letzten Erlebnisberichte und tollen Bilder die uns sehr neidisch machen.Weiterhin gute Fahrt und viele Erlebnisse auf eurer weiteren Reise und viele Glücksmomente.
Jeane und Robert
Halli Hallo, das ist ja wieder lieb von euch. Danke!
Wir freuen uns immer, wenn euch unsere Geschichten gefallen. Dann macht Reisen gleich noch mehr Spaß.
Liebe Grüße in die Heimat,
Win & Petra
Liebe Power-Pet und Wüsten-Win, haben wir Euch verloren an das Nomadenleben und den Berbertee?
Oder werden wir doch nochmal Kaffee trinken am Schnepperschütz? Seit diesem Wochenende wieder geöffnet …
Liebe neidvolle Grüße, Matt.
Hallo lieber Matt,
vielen Dank für deinen Kommentar. Schnepperschütz in der Saison 2017 bekommen wir zusammen hin, mach‘ dir da mal keine Sorgen. Du wirst uns weder an Wüsten noch an Tees verlieren 🙂
Liebe Grüße und bis bald,
Win & Petra
Truckerin Petra, und es geht doch. Fast unser Lieblingsbild.
Liebe Grüsse aus dem leider noch kalten Winterthur.
Beatrice & Beat
Daaanke! Klar geht es 🙂 🙂
Macht euch nicht bange, es wird jeden Tag wärmer. Auch in Winterthur.
Liebe Grüße aus dem sonnigen Chefchaouen, das wir uns heute mal anchaouen. Dort soll alles ziemlich blau sein. Wir sind gespannt…
Win & Petra